Einer der populärsten Vertreter des Progrock hat ein für seine Verhältnisse gänzlich anderes Album eingespielt und überrascht damit seine Fans: Neal Morse. Wer auf sanfte, melodische Songs steht, sollte hier unbedingt reinhören, denn es lohnt sich.
Die bisherigen Stationen des US-Musikers Neal Morse hießen Spock's Beard, Neal Morse Band sowie den Supergroups Flying Colors und Transatlantik. Also alles Bands, die aus der Progressive Rock
Szene stammen. Seit seiner intensiven Hinwendung zum Christentum scheint er ruhiger zu werden, lässt die lauten und eckigen Kanten zugunsten melodischerer Inhalte wegfallen.
So wurde „Life And Times“ ein überaus zugängliches Album mit elf beschwingten Songs, die gut ins Ohr gehen. Dies muss man nicht negativ sehen, die Kompositionen sind keineswegs langweilig
gestaltet. Dazu hat Morse eine zu gute Band zusammengestellt und die Instrumentierung variabel gehalten. Eine Violine hier, eine schöne Solo-Gitarre dort, Verzierungen mit Mandoline, Trompete
oder mehrstimmigen Background-Gesang geben den Kompositionen einen freundlichen Anstrich. Ein Highlight ist für mich das soulige „Wave On The Ocean“, das mit Streichern und Bläsern an Phil
Collins-Scheiben erinnert. Hinreissende Balladen wie „Joanna“ lassen den Stress des Alltags abfallen. Manches klingt etwas melancholisch, sogar traurige Nummer sind dabei: in „He Died At Home"
beschreibt er die Trauer einer Mutter, deren Sohn als Soldat Selbstmord begangen hatte.
Das ist allerdings nur eine Seite dieser insgesamt optimistisch klingenden Platte. Typisch hierfür: in „Manchester" fühlen wir den Sommer, inhaltlich ließ hier Morse das Leben entspannt an sich
vorbeiziehen, als er in einem Coffeeshop in Manchester saß. Herrlich entspannt kommt auch „She's Changed Her Mind“, da kommen einem LPs von Don Henley oder David Crosby in den Sinn. Das langsame
„You And Me And Everything“ ist mit Streichern üppig verziert und wirkt dabei heiter und sinnlich zugleich. Das Country-hafte „Lay Low“ hat einen Touch von Mellencamp-Feeling und mit dem lockeren
„If I Only Had A Day“ (mit Geige stimmig untermalt) endet diese prima Schallplatte.
Es muss nicht immer progressiv sein, die Entschleunigung tut hörbar gut. Einen Gang runterschalten, mal etwas abhängen und über die Dinge des Lebens sinnieren - warum nicht. „Life And
Times“ ist eine schöne neue Facette eines Musikers, der sonst eher die lauten Töne bevorzugte. Klanglich geht die Vinyl-Ausgabe in Ordnung. Sie ist jetzt nicht audiophil, macht aber trotzdem
Freude, wenn die Nadel sich durch die Rille bewegt. Dabei noch die Texte auf dem Beiblatt lesen - so macht Schallplatten-Hören Spaß!
Fakten
Erstveröffentlichung: 16. Februar 2018
Label: Radiant Records / Metal Blade Records / Sony Music
Bestell-Nummer: 3984-15576-1
Pressung: Pallas
Inhalt: 180g Vinyl
Besonderheiten: Beiblatt mit Songtexten
Genre: Singer/Songwriter, Pop, Adult Rock
Besetzung
Neil Morse - lead vocals, keyboards, guitars, mandolin, bass
Julie Harrison - lead & back vocals
Holly Smith - french horn
Dominique Caster - trumpet
Scotty Sanders - pedal steel, dobro
Richard Brinsfield - bass
Scott Williamson - drums, vocals
Chris Carmichel - strings
Will Morse / Gabe Klein - back vocals
Trackliste
Seite 1
1. Livin' Lightly
2. Good Love Is On The Way
3. Joanna
4. Selfie In The Square
5. He Died At Home
Seite 2
6. She's Changed Her Mind
7. Wave On The Ocean
8. You And Me And Everything
9. Manchester
10. Lay Low
11. If I Only Had A Day
Die Deutschland Konzerte von Neal Morse
07. Juni 2018 Hamburg, Indra
14. Juni 2018 Köln, Jungle Club
15. Juni 2018 Bochum, Christuskirche
16. Juni 2018 Aschaffenburg , Colos-Saal